Hat der Makler einen Anspruch auf Provision, wenn ein Dritter von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht? Adobestock von magele-picture
16 August

Hat der Makler einen Anspruch auf Provision, wenn ein Dritter von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht?

KG Berlin, Urteil vom 27.04.2023, Az.: 10 U 80/22
Schließen zwei Parteien einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück, kann es vorkommen, dass einem Dritten ein Vorkaufsrecht zusteht.

Der Dritte hat die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht auszuüben und das Grundstück anstelle des sogenannten „Erstkäufers“ zu erwerben.
Das Vorkaufsrecht kann sich
 - als „schuldrechtliches“ Vorkaufsrecht aus einem Vertrag,
 - als „dingliches“ Vorkaufsrecht aus dem Grundbuch oder
 - als „gesetzliches“ (auch „öffentlich-rechtliches“) Vorkaufsrecht aus dem Gesetz
ergeben.

Doch welche rechtlichen Konsequenzen hat die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Beteiligten und welche Auswirkungen hat dieses auf den Provisionsanspruch eines Maklers?
Diese Fragen möchten wir Ihnen im nachfolgenden Artikel beantworten.


Welche Vorkaufsrechte gibt es?
Das Gesetz normiert eine Vielzahl von gesetzlichen Vorkaufsrechten, dessen Existenz einem nicht zwangsläufig bewusst ist.
Im Folgenden möchten wir Ihnen einen Überblick darüber verschaffen, in welchen Bereichen Vorkaufsrechte gesetzlich geregelt sein können:
 - Die Mieter einer Wohnung steht gemäß § 577 BGB ein Vorkaufsrecht zu, wenn der Vermieter aus der Mietwohnung einer Eigentumswohnung machen möchte und beabsichtigt, diese an einen Dritten zu verkaufen.
 - Verkauft ein Miterbe ein Miterbenanteil, steht den Miterben ein Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB zu.
 - Zur Sicherung der Bauleitplanung kann der Gemeinde ein gesetzliches Vorkaufsrecht zustehen. Hierbei wird zwischen dem allgemeinen Vorkaufsrecht in § 24 BauGB und dem besonderen Vorkaufsrecht § 25 BauGB unterschieden.
 - Vorkaufsrechte können sich zudem aus dem Reichssiedlungsgesetz, diversen landesrechtlichen Denkmalschutzgesetze (z.B. § 31 DSchG NRW), oder weiteren Spezialvorschriften, wie etwa dem Hamburgischen Seilbahngesetz, ergeben.
 - In Nordrhein-Westfalen wird z.B. in § 36a Landschaftsgesetz NRW in Trägern der Landschaftsplanung ein gesetzliches Vorkaufsrecht eingeräumt, um bestimmte Maßnahmen des Landschaftsplans umzusetzen.
 - Auch aus landesrechtlichen Naturschutzgesetzen können sich Vorkaufsrechte für den Hoheitsträger ergeben. Für Nordrhein-Westfalen ist dies beispielsweise in § 74 LNatSchG NRW geregelt.

Dieser Beitrag befasst sich ausschließlich mit den Vorkaufsrechten, welche sich auf das Eigentum von Grundstücken und Wohnungen beziehen kann. Vorkaufsrechte können - sowohl gesetzlich als auch vertraglich - in einer Vielzahl von weiteren Fällen vorkommen.


Wie begegnet mir ein solches Vorkaufsrecht?
In der Praxis ereignen sich die Fälle in der Regel so, dass der Verkäufer und der Käufer einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück schließen.
Steht der Gemeinde, beispielsweise aufgrund einer städtebaulichen Satzung, ein Vorkaufsrecht für das betroffene Grundstück zu, informiert der Notar die Gemeinde über den Kaufvertragsschluss und bittet die Gemeinde, ein sogenanntes „Negativattest“ zu erteilen.
Wenn die Gemeinde dieses „Negativattest“ erteilt, bringt sie damit zum Ausdruck, von dem ihr zustehendem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen.
Die Gemeinde hat aber auch die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht auszuüben und somit das Grundstück anstelle des „Erstkäufers“ zu erwerben.
Dieses Beispiel ist auf die übrigen Vorkaufsrechte, welche wir vorstehend der Übersicht halber zusammengefasst haben, entsprechend anwendbar.


Bleibt der Provisionsanspruch eines Maklers bestehen?
Doch was geschieht mit dem Provisionsanspruch des Maklers, wenn dieser zuvor den Kauvertrag zwischen dem Erstkäufer und dem Verkäufer vermittelt hat und in der Folge ein Dritter sein Vorkaufsrecht ausübt?
Über diese Frage hatte das Kammergericht Berlin (im Folgenden „KG“) in seinem Urteil vom 27.04.2023 zu entscheiden (Az.: 10 U 80/22).
In dem der Entscheidung des KG zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Verkäufer eine Maklerin mit der Vermittlung seiner Wohnung beauftragt. Die Wohnung war vermietet und sollte in eine Eigentumswohnung „umgewandelt“ werden. Dem Mieter stand deshalb ein gesetzliches Vorkaufsrecht aus § 577 BGB zu.
Die Maklerin hat die Wohnung einem Käufer angeboten.
Der Käufer hat mit der Maklerin eine Provision i.H.v. 6 % zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart, welche mit Beurkundung des notariellen Kaufvertrages über die Wohnung fällig werden sollte
Aufgrund der Vermittlungstätigkeit der Maklerin kam es zu einem notariellen Kaufvertragsschluss zwischen dem Verkäufer und dem Käufer geführt hat.
In dem notariellen Kaufvertrag über die Wohnung war eine sogenannte „Maklerklausel“ enthalten, welche den Käufer verpflichtete, die Maklerprovision zu übernehmen.
Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages hat der Mieter von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und sich geweigert, die in der „Maklerklausel“ vereinbarte Provision der Maklerin zu übernehmen.
Das KG war anderer Meinung. Der Vorkaufsberechtigte war verpflichtet, die Maklerprovision nach Ausübung des Vorkaufsrechts zu zahlen.


Austausch des Käufers bei gleichbleibendem Vertragsinhalt
Dies begründete das KG damit, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts ein selbstständiger Kaufvertrag zu den gleichen Bedingungen wie zwischen dem Erstkäufer und dem Verkäufer geschlossen wird.
Dadurch hat der Vorkaufsberechtigte nicht nur den zwischen dem Erstkäufer und dem Verkäufer vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Darüber hinaus hat der Vorkaufsberechtigte sämtliche Leistungen zu erbringen, die der Erstkäufer nach dem „ursprünglichen“ Kaufvertrag zu erbringen gehabt hätte.
Davon umfasst ist auch die zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer vereinbarte Maklerklausel. Der Vorkaufsberechtigte war deshalb verpflichtet, die zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer vereinbarte Provision an die Maklerin zu zahlen. Wenn der Vorkaufsberechtigte die Provision nicht zahlen würde, hätte die Maklerin sogar einen einklagbaren Anspruch gegen den Vorkaufsberechtigten – ohne jemals mit diesem in Kontakt getreten zu sein.
Wie das KG ausführte, stellen sich
 „Die unter der Bedingung des Zustandekommens eines Hauptvertrags stehenden Maklerkosten (…) – wie die im Zusammenhang mit dem Hauptvertragsschluss entstandenen Kosten – wirtschaftlich als Teil des vom Käufer zu übernehmenden Gesamtaufwands anlässlich des Kaufgeschäfts dar“.


Ohne Maklerklausel gibt es keine Provision!
Zu diesem Ergebnis kam das KG jedoch nur wegen der im notariellen Kaufvertrag enthaltenen Maklerklausel.
Ohne diese hätte die Maklerin weder gegen den „Erstkäufer“ noch gegen den Vorkaufsberechtigten einen Anspruch auf Zahlung der Provision.
In dem Verhältnis zum Erstkäufer ist der sogenannte „wirtschaftliche Erfolg“ nicht eingetreten – die Vermittlung zwischen dem Erstkäufer und dem Käufer haben nicht zur Eigentumsüberschreibung der vermittelten Wohnung geführt. Zwischen der Maklerin und dem Vorkaufsberechtigten bestanden mangels jeglicher Korrespondenz keinerlei vertragliche Beziehungen, aus welcher sich ein Provisionsanspruch ableiten könnte.


Maklerklausel als „Fremdkörper“?
Die Maklerklausel sichert aber nicht unter allen Umständen den Provisionsanspruch der Maklerin. Die Maklerklausel müsse nach der gängigen Rechtsprechung „wesensmäßig“ zum Kaufvertrag gehören und sich darin nicht als „Fremdkörper“ darstellen.
Solange sich die Kosten der Provision im üblichen Rahmen halten würden, könnten Bestimmung über die Verteilung der Maklerkosten in der Regel nicht als „Fremdkörper“ im Kaufvertrag angesehen werden, so das KG unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
Dies gilt sogar dann, wenn die Maklerklausel gerade deshalb in den Kaufvertrag mit aufgenommen wird, weil die Parteien Kenntnis über das Bestehen eines Vorkaufsrechts eines Dritten haben und die Regelung für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts getroffen haben.
Oder, um es mit den Worten des KG zu formulieren:
 „Ein vorausschauendes Vorgehen der Kauvertragsparteien zur Sicherung der Ansprüche der Maklerin und der ihr gegenüber verpflichteten Erstkäuferin ändert nichts an der Wesensgemäßheit der Regelung.“

Es ist im Übrigen auch nicht von Relevanz, ob der Vorkaufsberechtigte ein eigenes Interesse an der Beauftragung der Maklerin hatte. Schließlich kennt das Gesetz keine Pflicht des Verkäufers, dem Vorkaufsberechtigten vor Einschaltung eines Maklers über den beabsichtigten Verkauf zu informieren. Dem Verkäufer steht es frei, einen Makler mit der Vermittlung seiner mit einem Vorkaufsrecht behafteten Wohnung zu beauftragen.


Fazit:
Die Entscheidung des KG enthält einiges an praxisrelevanten Aussagen:
 - Der Provisionsanspruch eines Maklers kann im notariellen Kaufvertrag durch eine Maklerklausel abgesichert werden.
 - Ohne Maklerklausel im notariellen Kaufvertrag besteht für einen Makler die Gefahr, den Provisionsanspruch zu verlieren, wenn ein Dritter sein Vorkaufsrecht ausübt.
 - Bei dem Inhalt der Maklerklausel haben die Parteien einen weiten Spielraum, solange diese keinen „Fremdkörper“ darstellt – etwa, weil sich die Höhe des Provisionsanspruches nicht „im üblichen Rahmen“ bewegt.
Auch zeigt die Entscheidung plakativ, welche immensen Konsequenzen – insbesondere finanzieller Art – die Ausübung eines Vorkaufsrechts für die Beteiligten haben kann.
Der Überblick über mögliche Vorkaufsrechte zu Beginn des Artikels zeigt zudem, die Vielzahl der möglichen Vorkaufsrechte, mit denen sich etwaige Verkäufer, Käufer und Makler im Ernstfall auseinandersetzen müssen.


Egal, in welcher Form Sie sich mit einem Vorkaufsrecht konfrontiert sehen – wir beraten Sie gerne!

 

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